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Fakultät Kulturwissenschaften

Beschreibung

Das Forschungsprojekt setzt sich zum Ziel, den Sprachgebrauch der deutschsprachigen Minderheiten im südlichen Afrika zu beschreiben und zu analysieren. Das Vorhaben knüpft dabei an ein Projekt an, dessen zentrales Ziel die Dokumentation des Deutschen in Namibia war (s. Unterpunkt "Beschreibung der ersten Förderphase"). Dies erfolgte in Form eines systematischen Korpus von informellen und formellen Gesprächsdaten. Dokumentiert ist der Sprachgebrauch des Deutschen in einer Sprachgemeinschaft, die durch ihre aktive Mehrsprachigkeit (Deutsch, Englisch, Afrikaans) besonders dynamisch ist, dabei aber − anders als in vielen deutschen Sprachinseln − Deutsch trotz seines Status als Minderheitensprache aktiv pflegt und generationenübergreifend nutzt. Mithilfe der neu geschaffenen Ressource soll nun die detaillierte Analyse namibisch-deutscher Spezifika weitergeführt werden, sodass deren Erkenntnispotential mit Blick auf das Zusammenspiel von Sprachsystem, -wandel und -kontakt ausgeschöpft werden kann. In einem weiteren Schritt wird das namibische Deutsche mit dem Sprachgebrauch deutschsprachiger Communities in Südafrika (den sogenannten Springbok-German Communities) kontrastiert. Dies geschieht anhand von bereits archivierten, bislang aber noch nicht analysierten Daten und gezielten Nacherhebungen in Südafrika und Namibia. Der Vergleich ermöglicht es unter anderem, den Varietätenkontakt und somit eine bisher vernachlässigte Sprachwandelursache zu fokussieren. Die verglichenen Communities sind nämlich einerseits in vielen Aspekten vergleichbar (so sind Afrikaans und Englisch in beiden Fällen die Hauptkontaktsprachen, die Auswanderung erfolgte ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts usw.), andererseits unterscheiden sich die beiden Settings aber deutlich hinsichtlich der historischen Siedlungsstruktur: Während in Südafrika gegründete Siedlungen sprachlich sehr homogen waren, da in der Regel eine größere Gruppe von Emigrant/innen aus einem Ort auswanderte und eine neue, vergleichsweise abgeschottete Siedlung gründete, kann das damalige Südwest-Afrika als Schmelztiegel verschiedener deutscher Dialekte gelten. Hier traten Deutschsprachige aus allen Teilen des deutschsprachigen Raums von Beginn an in intensiven Kontakt miteinander. Der Vergleich der Communities verspricht nun Aufschluss über die linguistischen Auswirkungen dieser unterschiedlichen Gegebenheiten.

Das Forschungsprojekt ("Namdeutsch": Die Dynamik des Deutschen im mehrsprachigen Kontext Namibias) in deutsch-namibischer Kooperation setzte sich zum Ziel, das Deutsche im gegenwärtigen Namibia zu erfassen und zu untersuchen. Der zu dokumentierende Sprachgebrauch ist maßgeblich durch intensiven Sprachkontakt geprägt. Die ursprünglich auf die Kolonialzeit zurückgehende deutschstämmige Bevölkerung Namibias umfasst heute rund 20.000 Personen und damit etwa ein Viertel der Bevölkerung mit europäischem Hintergrund. Die SprecherInnen sind zum Großteil mindestens dreisprachig Afrikaans-Englisch-Deutsch, hinzu kommen oft noch unterschiedlich stark ausgeprägte Kenntnisse afrikanisch-namibischer Sprachen (etwa Otjiherero, Nama/Damara oder Oshiwambo). Im Gegensatz zu anderen deutschen Sprachinseln, die typischerweise vom Aussterben bedroht sind, gibt es in Namibia eine vitale, aktive SprecherInnengemeinschaft, die das Deutsche in informellen ebenso wie in formellen Kontexten nutzt. Wiewohl eine Minderheitensprache, ist Deutsch nicht nur auf die Alltagskommunikation in der Familie beschränkt, sondern wird auch in öffentlichen Kontexten und auch im formellen Register (Schule, Kindergarten, Kirche, Medien) verwendet. Im Tourismus und einigen Bereichen der Wirtschaft hat Deutsch darüber hinaus auch als Berufssprache eine große öffentliche Präsenz.
Die SprecherInnengemeinschaft nutzt und pflegt das Deutsche generationenübergreifend. Sie ist wegen ihrer aktiven Mehrsprachigkeit dabei als besonders dynamisch zu beschreiben: Der mehrsprachige Kontext hat Effekte auf die gesprochene Umgangssprache, die etwa im Bereich des Wortschatzes in Form zahlreicher Entlehnungen aus dem Afrikaans und dem Englischen deutlich werden. Erste Befunde, die auf den Daten aus einer ersten Pilotstudie basieren, lassen darüber hinaus grammatische Entwicklungen erkennen, die nicht nur auf kontaktsprachliche Interferenzen zurückzuführen sind, sondern auf sprachliche Innovationen und Interaktionen von kontaktsprachlichen und binnenstrukturellen, im Deutschen angelegten, Tendenzen hinweisen. Zudem ist mit einem interessanten Geflecht von spracheinstellungsbezogenen Besonderheiten zu rechnen: Einerseits dient das Deutschlanddeutsche gerade in Bildungskontexten als Prestigevarietät und nicht-kanonische sprachliche Strukturen werden generell oft negativ bewertet, andererseits fungieren gerade die namibia-spezifischen Formen als positiv besetzte gruppenidentitätsstiftende Merkmale der deutschsprachigen NamibierInnen. Die Erforschung der grammatischen Besonderheiten des Namdeutschen sowie die Analyse der sprachideologischen und einstellungsbezogenen Positionen in seiner SprecherInnengemeinschaft stellen zwei zentrale einander ergänzende theoretische Ziele des Projekts dar. Die Interpretation der Ergebnisse soll durch eine Perspektive auf Deutsch in weiteren mehrsprachigen Kontexten mit teils sehr unterschiedlichen soziolinguistischen Parametern gestützt werden, wozu deutsche Sprachinseln in Mittel/Ost-Europa und in Übersee, aber auch das sich in Deutschland entwickelnde Kiezdeutsche zählen. Ein wichtiger empirischer Ertrag des Projekts wird ein systematisches Korpus von informellen und formellen Gesprächsdaten zum Deutschen in Namibia und Spracheinstellungen in der deutschsprachigen Gemeinschaft in Namibia sein, das allgemein zugänglich und für eine große Bandbreite von Forschungsfragen nutzbar sein wird.